Hurra, hurra, hurra! eine eiserne, rostbedeckte Kassette!
In Triumph wurde sie auf die Amtsstube getragen. Berichte gingen in die Hauptstadt, der Erbe sei von dem Funde zu verständigen, eine Kommission an Ort und Stelle zu entsenden usw. – usw.
Der kleine Bahnhof wimmelte von Menschen, Beamte in Uniform, Reporter, Detektivs, Amateurphotographen, ja, sogar der Herr Landesmuseumsdirektor war angekommen, um diesen interessanten Fleck Erde zu besichtigen.
Alles zog hinaus auf die Heide und glotzte stundenlang in das frisch gegrabene Loch, vor dem der Flurschütz Wache hielt.
Das saftige Moorgras war zertreten von den vielen gekerbten Gummischuhen, aber die hellgrünen Weihersträucher in ihrem jugendfrischen Frühlingsschmuck blinzelten einander mit den seidenen Weidenkätzchen listig zu, und wenn ein Windstoß kam, krümmten sie sich in plötzlich ausbrechendem stummen Gelächter, daß ihre Häupter die Wasserfläche berührten. Warum wohl?
Auch die Krötenkönigin, die dicke mit der rotgetupften Weste, die in ihrer Veranda aus Ranunculus und Pfeilkraut die süße Maienluft genoß und doch sonst immer so würdevoll tat, weil sie 100,003 Jahre alt war, hatte heute wahre Anfälle von Lachkrämpfen. Sie riß das Maul auf, daß ihre Augen ganz verschwanden und schlenkerte wie besessen die linke Hand in die Luft. Fast wäre ihr dabei ein silberner Topasring vom Finger gefallen.
Unterdessen war von der Kommission die gefundene Kassette geöffnet worden.
Ein fauler Geruch entströmte ihr, so daß im ersten Augenblick alles zurückprallte. Seltsamer Inhalt!
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/147&oldid=- (Version vom 31.7.2018)