Und jetzt ein Sessel, mit grünem Rips bezogen und mit zerbrochener Lehne.
Veverka quält sich ab, die alte Lehne durch eine neue zu ersetzen. – Vergebens. – Jedesmal, wenn er glaubt, am Ziele zu sein, zerrinnt das Bild und fährt in seine alte Form zurück. – Endlich verschwindet es ganz, die Luft scheint wie Wasser, und riesige Fische mit leuchtenden Schuppen und goldenen Punkten schwimmen einher. – Wie sie die purpurnen Flossen bewegen, hört er es im Wasser brausen. –
Erschreckt zuckt Amadeus zusammen, wie ein jäh Erwachender. – Ein eintöniges Singen dringt durch die Nacht. – Er steht auf: Ein paar Leute aus dem Volke, – slavischer Singsang. Schwermütig nennen es die, welche davon erzählen, und es doch nie gehört haben.
Glücklich der Sterbliche, der es nie vernommen. –
Im Westen ragt das Palais des Selchers Schmel.
Wer kennt ihn nicht, den Hochverdienten! Sein Ruhm klingt über die Lande bis an das blaue Meer. – Gotische Fenster schauen stolz hinab ins Tal. –
Die Fische sind verschwunden und Amadeus Veverka sucht von neuem das Sehfeld in der Unendlichkeit. Ein heller Fleck, kreisrund, der sich mehr und mehr weitet, leuchtet auf. Rosa Gestalten treten in den Brennpunkt, mikroskopisch klein und doch so scharf, wie durch eine Linse gesehen. – Von blendendem Licht beschienen, – und die Körper werfen keinen Schatten.
Ein unabsehbarer Zug marschiert heran, rhythmisch im Takt, – es schüttert die Erde. Schweine sind es – Schweine! Aufrecht gehende Schweine! – Voran die edelsten unter ihnen, die ersten im Zuge der Seelenwanderung, die schon auf Erden die tapfersten waren – und jetzt violette Cereviskappen tragen und Kouleurband, damit jeder sehe, in welcher Gestalt sie sich dereinst wiederverkörpern werden.
Es schrillen die Querpfeifen der Spielleute, –
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/125&oldid=- (Version vom 31.7.2018)