Wir waren eigentlich zwei grundverschiedene Naturen. Du leichtlebig, aber dabei doch kalt und phlegmatisch, ein klein wenig egoistisch. Diesen kleinen, so unschuldigen Egoismus zur Schau tragend, liebenswürdig frech und schon ein wenig müde; jenes erste, angenehme Erschlaffen, der Vorbote des großen Zusammenbruchs, nach dessen Eintritt wir so kluge Augen machen und so weise Reden führen, wenn wir uns dabei auch vorkommen, wie moralpredigende, aus dem Zuchthause entlassene Sträflinge. Und wer dies leugnet, der ist ein Erzschuft. Es gibt aber solche, die sich unter allen Umständen für moralisch halten und aus ihrer asthmatischen Brust mit schlechtem Pathos Entrüstungskundgebungen hervorkrächzen, wenn ein anderer die fröhliche Sünde offen auf der Stirne trägt, weil er so groß ist, daß ihn das ziert, was die Zwerge zu ekligem Brei zerdrückt.
Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/019&oldid=- (Version vom 31.7.2018)