stillen Weihern kleine Kähne. Spät erst, wenn feuchte Nebel vom Haff herüber die nackten Schultern der Frauen unter den Spitzengeweben zittern ließen, gingen Pirgallens Bewohner zur Ruhe.
Unaufhaltsam riß mich das Leben in seinen Strudel. Geistig müde und stumpf, getrieben von dem Wunsch, nur nicht zu mir selbst kommen zu können, war es mir zuerst der Rausch, der Vergessen bringt. Aber dann siegte Jugend und Lebenslust, und der Genuß wurde zum Selbstzweck. Niemand dachte angesichts des großen reifen Mädchens an ihre vierzehn Jahre; ich galt allen als erwachsene junge Dame, als Tochter des Hauses überdies, und was an männlicher Jugend ins Schloß kam, das teilte seine Huldigungen zwischen der lustigen Hausfrau und ihrer Nichte. Zuweilen, das merkte ich wohl, war ich der Tante, die gewohnt war, der Mittelpunkt der Gesellschaft zu sein, ein Dorn im Auge. Dann begann jener stille Frauenkampf um den ersten Platz, der, mit allen Waffen der Koketterie geführt, nicht minder aufregend ist als der der Männer im Fechtsaal oder beim Hasard. Triumphierte meine Jugend über ihre Grazie und ihren Witz, so behandelte sie mich plötzlich als das Kind, das zur Strafe nicht mitgenommen wird, wenn die Großen sich amüsieren; doch „das Kind“ durchkreuzte nur zu rasch ihre pädagogischen Einfälle. So wurde ich einmal von einer Segelpartie ausgeschlossen – aus Mangel an Platz, sagte sie –; im Augenblick aber, als die Jacht den Hafen verließ, erschien ich hoch zu Roß in Begleitung des feschesten Kürassierleutnants, den meine Tante – ich wußte es genau! – von allen Gästen am meisten entbehrte. Und ein andermal, als
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/151&oldid=- (Version vom 31.7.2018)