mit lustigen grauen Augen und aufgeworfenen roten Lippen. Die kleine Friederike glich ihm wenig; sie war ein dürftiges Persönchen mit jenen neidisch heruntergezogenen Mundwinkeln, die die Gesichter solcher Kinder zu entstellen pflegen, die sich früh ihrer Reizlosigkeit bewußt werden. Als Hellmut nach dem Tee zum Badersee hinüber wollte, um dort Kahn zu fahren, weigerte sie sich, mitzukommen, wohl in der Hoffnung, daß er dann allein gehen müsse und der Spaß ihm verdorben wäre. Ihre Mutter aber meinte: „Um so besser werden sich Hellmut und Alix amüsieren,“ und so brachen wir auf, vom Diener begleitet, der uns rudern sollte.
Geheimnisvoll und spiegelklar, wie immer, lag der See vor uns. Vor dem kleinen Wirtshaus, das damals noch bescheiden an seinem Ufer lag, saßen nur wenige Touristen.
„Jetzt wollen wir uns erst gütlich tun und den schlabbrigen Tee herunterspülen,“ sagte Hellmut und bestellte Tiroler Wein, mit dem wir lustig unsre neue Freundschaft leben ließen. Als der Diener im Hintergrund, vertieft in die „Fliegenden“, ruhig vor seinem Seidel saß, schlichen wir davon. Die Abneigung gegen irgendwelche Beaufsichtigung, die Hellmut dadurch bekundete, steigerte meine Sympathie für ihn. Er löste den Kahn selbst von der Kette, und wir ruderten, glückselig über unsre gelungene Kriegslist, in den See hinaus. Bald kamen wir in lebhafte Unterhaltung; Hellmut erzählte mir von Berlin, wo er wohnte, und wo ich nun bald hinkommen sollte, soviel des Schönen und Interessanten, daß meine Abneigung dagegen sich rasch in erwartungsvolle
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/056&oldid=- (Version vom 31.7.2018)