Fensterkasten und Geländern niederschaukelte, daß das Dunkel auch hier nur da zu sein schien, um den Glanz noch stärker hervorzuheben. Dazu plätscherte der kleine Bergbach lustig durchs Dorf, der ganz, ganz oben in den Furchen und Spalten dem Felsen entspringt und vom Schnee sich nährt und vom Eis, um erst unten im Tal, berauscht von den Blumen, die über ihm nicken, die helle Stimme zu verlieren.
Vor den letzten Häusern beginnt der Wald. Als müßte er ein Kleinod schützen, so schlingt er sich dicht um den leuchtenden Smaragd des Badersees, der seine grüne Farbe auch unter der schönsten Himmelsbläue nicht verliert und trotz des bösesten Unwetters durchsichtig bleibt bis zum Grunde. Aber während eine breite Straße ihm den Strom der Menschen zuführt und den Wald gezwungen hat, Platz zu machen, liegt sein kleinerer Zwillingsbruder, der Rosensee, noch immer still und versteckt zwischen den Bäumen. Selten nur verirrt sich einer auf die engen Steige, die in seine Nähe führen, und das Riesenpaar über ihm – der Waxenstein und die Zugspitze – scheint sich darum besonders wohlgefällig in seinen stillen Wassern zu spiegeln. An seinem Ufer, das an dieser Seite von Rosen in allen Farben und Formen umkränzt ist, steht nur ein einziges kleines Haus; von wildem Wein und Efeu ist es so dicht umsponnen, daß es an dunkeln Tagen mit dem Wald, der es umgibt, in eins verschwimmt.
Vor vier Jahrzehnten kaufte Ulysses Artern den Rosensee und baute seinem jungen Eheglück das grüne Nest daran. Jedes Jahr, wenn die Maiglöckchen
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/051&oldid=- (Version vom 31.7.2018)