Paul Heyse: L’Arrabbiata. In: Gesammelte Werke. 4. Band: Novellen. I., 8. Auflage, S. 1–21 | |
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Bringe mich um, wenn du’s wagst, sagte sie langsam.
Man muß nichts halb thun, sagte er, und seine Stimme klang heiser. ’s ist Platz für uns Beide im Meer. Ich kann dir nicht helfen, Kind, – und er sprach fast mitleidig, wie aus dem Traum – aber wir müssen hinunter, alle Beide, und auf einmal, und jetzt! schrie er überlaut und faßte sie plötzlich mit beiden Armen an. Aber im Augenblick zog er die rechte Hand zurück, das Blut quoll hervor, sie hatte ihn heftig hineingebissen.
Muß ich thun, was du willst? rief sie und stieß ihn mit einer raschen Wendung von sich. Laß sehn, ob ich in deiner Macht bin! – Damit sprang sie über den Bord des Kahns und verschwand einen Augenblick in der Tiefe.
Sie kam gleich wieder herauf; ihr Röckchen umschloß sie fest, ihre Haare waren von den Wellen aufgelös’t und hingen schwer über den Hals nieder, mit den Armen ruderte sie emsig und schwamm, ohne einen Laut von sich zu geben, kräftig von der Barke weg nach der Küste zu. Der jähe Schreck schien ihm die Sinne gelähmt zu haben. Er stand im Kahn, vorgebeugt, die Blicke starr nach ihr hingerichtet, als begebe sich ein Wunder vor seinen Augen. Dann schüttelte er sich, stürzte nach den Rudern, und fuhr ihr mit aller Kraft, die er aufzubieten hatte, nach, während der Boden seines Kahnes von dem immer zuströmenden Blute roth wurde.
Im Nu war er an ihrer Seite, so hastig sie schwamm. Bei Maria Santissima! rief er, komm in den Kahn. Ich bin ein Toller gewesen; Gott weiß, was mir die Vernunft benebelte. Wie ein Blitz vom Himmel fuhr mir’s ins Hirn, daß ich ganz aufbrannte und wußte nicht, was ich that und redete. Du sollst mir nicht vergeben, Laurella, nur dein Leben retten und wieder einsteigen.
Sie schwamm fort, als habe sie nichts gehört.
Du kannst nicht bis ans Land kommen, es sind noch zwei Miglien. Denk an deine Mutter. Wenn dir ein Unglück begegnete, sie stürbe vor Entsetzen.
Sie maß mit einem Blick die Entfernung von der Küste. Dann, ohne zu antworten, schwamm sie an die Barke heran und faßte den Bord mit den Händen. Er stand auf, ihr zu helfen;
Paul Heyse: L’Arrabbiata. In: Gesammelte Werke. 4. Band: Novellen. I., 8. Auflage, S. 1–21. Wilhelm Hertz, Berlin 1898, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_L%27Arrabbiata_(Heyse).djvu/17&oldid=- (Version vom 31.7.2018)