sie das abgetragene Beinkleid des „Genossen“, das vor der Thür zum Ausklopfen gehangen, heute schon in aller Herrgottsfrüh einem reisenden Handwerksburschen geschenkt hatte. Warum auch hatte Kathi es mit aufgegriffen und unter Kleidungsstücken aus des seligen Doktors Garderobe auf die engere Wahl gebracht? Nun freilich war es der eifrigen Wohlthäterin klar, warum nur dies eine Stück der kurzen Statur des Bittenden entsprochen, während ihm alle anderen Hosen zu lang gewesen! Und sie hatte sich gerade noch so sehr über diese kurze gefreut und sich gar nicht den Kopf zerbrochen – „ich glaubte, die Herren trügen sie lang oder kurz, je nach der Mode,“ sagte sie erröthend und mit leise gerungenen Händen.
Der beraubte Zugereiste hatte nun schon die gesammten vorhandenen Stücke durchprobirt, erst des verstorbnen Doktor Röslins und dann Iversens, aber der Unterschied lag vor allem in der Weite, und muthlos war er wieder ins Bett zurückgestiegen. Er nahm Iversens Bemerkung, die Wirthin sei eine reizende alte Frau, gerade als eine Beleidigung für sich, um so mehr, da er durchaus weiterreisen, abends an einem anderen Orte in einer Versammlung sprechen mußte. Kathi lief auf den Straßen umher nach dem Handwerksburschen, Iversen selbst mußte in irgend eine „Goldne Neun“ oder „Zweiundzwanzig“ wandern, um nach einem passenden Beinkleid auszuschauen. Der
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/64&oldid=- (Version vom 31.7.2018)