Abbitte auf. Mein Gott, ein junger Mann kann sich irren.
„Aber diese Gesetztheit hat für mich fast etwas Unheimliches,“ sagte Mama, als sie mit ihrem Manne allein war; „und Lisbeth hat einen Respekt vor ihm! sie schrak förmlich zusammen, so oft er etwas sagte.“
„Sie wird sich nachträglich schämen,“ meinte der Pastor, „mit diesen Mädchen da – das ist eine Kalamität. Und das nimmt immer noch zu – ich meine die Zahl der überschüssigen Frauen! Wohin soll das führen!“ Er hielt sich den Kopf, und Mama verstummte. Sie war ebensowenig zufrieden, die Mutter dreier Mädchen zu sein. Aber wenn ihr Mann solche Andeutungen machte, klopfte ihr jedesmal das Herz vor dumpfem Schuldbewußtsein. Warum hatte sie nicht Söhne, wie die Deutsche Kaiserin? Das war eine brave Frau, die konnte sich sehen lassen! Und wenn nun Lisbeth wenigstens echt weiblich gewesen wäre! Aber so, wie das Mädchen war, stand es sogar besonders schlecht mit den Heirathsaussichten. Und was solch eine alte Jungfer werden kann, das sah man deutlich an Tante Martha, die es bei keinem der Verwandten länger als ein Jahr aushielt, aber die Verwandten ihrerseits hätten sie gern noch viel früher ziehen lassen.
Lisbeth ging wie im Rausch zu Bett. Das heißt, zuvor stand sie noch eine ganze Weile am Fenster und
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/370&oldid=- (Version vom 19.8.2019)