sind unglücklich, wenn sie nicht auch eine Brille auf der Nase haben.“ Sie blickte mich unzufrieden an von oben bis unten und ließ mich stehen. Tante sagte neulich zu Papa so laut, daß ich es hören mußte: „Lisbeth wird doch, will’s Gott, kein Original werden? Das ist ein Unglück für ein Mädchen!“ „Hoff es nicht an meiner Tochter zu erleben,“ brummte Papa.
Und ich bin doch so still mit meinen Plänen, arbeite so ungesehen bei tiefer Nacht nur, wenn Alle schlafen. Warum wollen sie mich nicht meinen Weg gehen lassen, da ich doch Niemand damit störe? Oft bin ich förmlich lebensüberdrüssig, denke zuweilen, wenn ich nur morgen nicht wieder aufwachte! Dann aber habe ich bis jetzt mich getröstet: einen Freund hab ich doch. Und siehe da! wenn ich ganz verlassen, ganz auf mich selbst gestellt bin, läßt auch Du mich im Stich! In solchem Augenblick sind mir selbst die Bücher gleichgültig. Gestern sagte Doktor Eybe in seiner gewohnten taktlosen Manier: „Lisbeth, Sie sehen schlecht aus, soll ich Ihnen etwas verschreiben, oder haben Sie Herzenskummer?“ „O, die ist mit keinem Überfluß an Gefühl gesegnet,“ fiel Mama rasch ein, „wenn nicht mal ein schweinslederner Professor kommt –“ Ich wurde auch einmal grimmig. „Fragen Sie nur Mama, die weiß alles besser, was mich betrifft,“ brummte ich. „Das machen wir Alle durch, nicht wahr, Doktor?“ sagte Mama lachend und achselzuckend;
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/346&oldid=- (Version vom 19.8.2019)