führ ich wohl?, singende, Hüte schwenkende Scharen in festlichen Kleidern. Es war eine so sauber aufgeräumte, hell und durchsichtig gefärbte Frühlingsscene, wie auf einem Bilde von Schwind. „So ist’s in Frankfurt net! Wenn’s doch auch die Lotte sähe, wenn sie doch mit uns wäre!“ plauderten die Blicke der beiden Alten, sowie sie sich einander zukehrten. Endlich war das enge Thor passirt, der beengte Weg oben zwischen den schon dichtbesetzten Bänken und Stühlen zurückgelegt, und sie sanken ermüdet auf die noch freien Sitze. Heiß war’s, und halb dunkel nach dem Sonnentag draußen, die Logen-Brüstung nicht zu unterscheiden, weil die Leute Kopf an Kopf saßen; unten im ganz unsichtbaren Saale verstummte eben das Stimmen der Instrumente, und das Musikwerk begann, während die Frau ihrem Gefährten mit langem Gesichte zuflüsterte: „Jetz’ ist de Lotte zu allem andern auch noch um ihr Osterhäsle ’komme, – Du hast auch nicht d’ran denkt. Wenn’s net schad’ wär’ ums Geld, kehrt’ ich um und macht’ ihr noch g’schwind e Päckle.“
„Morgen, morgen,“ beschwichtigte der Mann, „heut’ ist kei’ Post mehr offen.“
„Scht! Scht!“ machten die Umsitzenden, denn die ersten Takte erklangen. Da schämten sich die zwei Alten und errötheten auf einen Schlag; zum ersten Mal in ihrem Leben war es ihnen begegnet, daß man sie im Konzertsaale zur Ruhe verwies.
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/298&oldid=- (Version vom 31.7.2018)