Lammbrätchen; es gefiel ihnen nicht, war weichlich, nur Knochen und Fett. „Damit hätten wir kein’ Ehr’ eingelegt bei dem Kind. Und eingeladen ist’s heut’ nachmittag? Wo denn? Mußt doch noch emal im Brief nachschau’n, und wie ist’s denn mit der Schöpfung? Geh’n wir, oder geh’n wir nicht? I möcht weniger, aber wenn doch de Lotte, – ja, ’s Kind schreibt extra, ’s würd’ sehr traurig sein; also, gang’ mer“ – Und so war’s geschehen, daß sie nun doch am Ende der langen Queue vor dem Königsbau standen, sorgenvoll, ob sie noch Platz finden, noch zum Beginne des Oratoriums im Saale sein würden. Das Stehen war etwas lästig, aber der Schloßplatz war heute so schön, so voll heiteren Getümmels, daß man aller Langeweile vergaß. Die schlanke, weiße Säule mit der beschwingten Fortuna streckte sich glänzend in den lichtblauen Himmel, und mancher Blick flog zu der verheißenden Göttin empor. Blendend spiegelte sich die Sonne auf den steigenden und fallenden Wassern der Fontänen; sogar die Kegel der Thujas, die noch vor kurzem so mißfarbig dunkel olivbraun ausgesehen, hatten sich in frisches Hellgrün gekleidet. Und droben, gegenüber, wo der Boden der Weinberge noch in seinem warmen Roth durch die kahlen Reben leuchtete, bunte Häuserchen, die zum ersten Male heuer die grünen Läden aufgethan hatten; und auf den weißen, geringelten Straßen, die wie schelmische Fragezeichen zu rufen schienen: wohin
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/297&oldid=- (Version vom 31.7.2018)