„Hat man Sie auch beschimpft?“ sagte sie mit zuckendem Munde.
„Mich? Beschimpft? O, scheußlich! Ich laufe eigentlich noch herum wie ein begossener Pudel! Es gab Augenblicke, wo ich mir vorkam wie im Tollhaus“
„Wie ich,“ machte die Malerin.
„Die Menschen sind doch gemein, wie?“ drängte er, „und sehen Sie, das waren noch Leute, die mich besser kennen sollten. Meine Schwiegermutter –“
„So? Sind Sie verheirathet?“
„War! Und nur verlobt, glücklicherweise! So, hatt’ ich Ihnen das nicht erzählt damals? Es muß ein gesunder Instinkt gewesen sein, denn die Geschichte war ein totaler Mißgriff. Hören Sie nur!“ Und er rückte heran und erzählte von Tonis Schönheit und Hohlköpfigkeit so kühl, so ganz unbetheiligt, daß er sich selber darob verwundern mußte. Auch die Malerin blickte ihn ein paar Mal fast erschrocken an. Von der Rolle, die seine harmlosen Reime bei der Auflösung der Verlobung gespielt, wollte er auch noch reden, aber da kam ihm plötzlich so allerlei Andres in den Sinn, daß er es für sich behielt. Er deutete nur Mamas Versuche, ihn zu halten, an.
„For shame!“ rief Lore Berth und sprang empört von ihrem Stuhl auf.
„Ja, ja, und glaubte doch, daß ich ihre Tochter belogen und betrogen hätte.“
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/185&oldid=- (Version vom 31.7.2018)