Götzendorff?“ Die Titularräthin bekam plötzlich ein Zittern.
„Aber, meine Liebe, Mörder heften keine Zettel an die Bäume; un jeune homme comme il faut!“
„Zettel? Aber meine liebe Freundin, den müßten wir doch bekommen, im Interesse der Wahrheit, der –“
„De la moralité, Sie sprechen mir aus der Seele, – wenn Sie hinuntergehen möchten –“
„Auf alle Fälle! Es ist mir nur um meine gestickten – Sammet ist so empfindlich!“
„Nehmen Sie meine Galoschen, Liebe; mais cette peintre, qu’en dites-vous, hain?“
„Ah, diese Emanzipierten, was kann man davon erwarten? Wird auch die Hausthür nicht indiskret knarren?“
„Le bon Dieu wird es verhüten, Liebe, wir sind ja so völlig désintéressées bei der Sache!“ – – –
Da ist der „Saal“ der Baronin, halb Trödlerbude, halb Museum. Silberschränke mit Glaswänden in allen Ecken, weiß- und goldlackirte magere Stühlchen und formlose rothe Plüschfauteuils, zweisitzig, groß wie Betten. Eine schwere, tief herabhängende Stuckdecke mit verschwommenen Rosenguirlanden und Amoretten in Pfropfenzieherstellung. Die Mitte des Raumes ist frei gemacht; dort liegt ein alter Teppich, fadenkahl wie eine abgegraste Wiese, und darauf steht die Staffelei – die Staffelei der Malerin Lore Berth, die mit
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/131&oldid=- (Version vom 31.7.2018)