Sie betonte das „na!“ und befühlte dabei die Theekanne.
„Ich kann Ihnen eine Tasse Thee machen, wenn Sie auch so durstig sind wie ich; mir mach’ ich eine.“
Hausdörffer verbeugte sich: „O gnädige Frau, ich habe tausend mal um Entschuldigung zu bitten, ich habe Ihnen ein paar Stück Brod und einige Scheiben Wurst entwendet.“
Sie stutzte ein bißchen und blickte wie unwillkürlich auf den Tisch. Dann begann sie zu lachen: „Das war recht, das war gescheit, Sie scheinen ein vernünftiger Mensch zu sein.“
„Also stehlen heißt Ihnen vernünftig handeln?“ lachte Hausdörffer, „Sie machen einem armen Spitzbuben das Leben leicht. Die That zog übrigens die Strafe auf dem Fuße nach, – der Landjäger war zäh wie eine alte Darmsaite.“
Jetzt erröthete sie langsam. „Wenn Sie lieber den Schinken gegessen hätten, Landjäger, das ist Specialität, dazu gehört – –“
„Ihre Specialität, gnädige Frau?“
„Gretels, sie ist aus dem Appenzell, – bedienen Sie sich, bitte.“
Der Ardentherd auf dem Servirtisch ward entzündet und brummte aufdringlich in dem niedern Raum, Hausdörffer fühlte eine sonderbare Neigung zum Sitzenbleiben, obgleich er sich keiner Müdigkeit
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/115&oldid=- (Version vom 19.8.2019)