Schwankungen des Klimas auf die geographische Verbreitung der Lebenformen. Ich glaube also, dass die Erd-Oberfläche noch unlängst einen von diesen grossen Kreisläufen erfahren hat, und dass durch diese Unterstellung in Verbindung mit der Annahme der Abänderung durch Natürliche Züchtung eine Menge von Thatsachen in der gegenwärtigen Vertheilung von identischen sowohl als verwandten Lebenformen sich erklären lässt. Man könnte sagen, die Ströme des Lebens seyen eine kurze Zeit von Norden und von Süden her geflossen und hätten den Äquator gekreutzt; aber die von Norden her seyen so viel stärker gewesen, dass sie den Süden überschwemmt hätten. Wie die Gezeiten ihren Beitrieb in wagrechten Linien abgesetzt am Strande zurücklassen, jedoch an verschiedenen Küsten zu verschiedenen Höhen ansteigen, so haben auch jene Lebens-Ströme ihr lebendiges Drift auf unsern Berg-Höhen hinterlassen in einer von den arktischen Tiefländern bis zu grossen Äquatorial-Höhen langsam ansteigenden Linie. Die verschiedenen auf dem Strande zurückgelassenen Lebenwesen kann man mit wilden Menschen-Rassen vergleichen, die fast allerwärts zurückgedrängt sich noch in Bergfesten erhalten als interessante Überreste der ehemaligen Bevölkerung umgebender Flachländer.
Da See’n und Fluss-Systeme durch Schranken von Trockenland von einander getrennt werden, so möchte man glauben, dass Süsswasser-Bewohner nicht im Stande seyen sich aus einer Gegend in weite Ferne zu verbreiten. Und doch verhält sich
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_387.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)