Bei Betrachtung der Verbreitungs-Weise der organischen Wesen über die Erd-Oberfläche besteht die erste wichtige Thatsache, welche uns in die Augen fällt, darin, dass weder die Ähnlichkeit noch die Unähnlichkeit der Bewohner verschiedener Gegenden aus klimatischen u. a. physikalischen Bedingungen erklärbar ist. Alle, welche diesen Gegenstand studirt haben, sind endlich zu dem nämlichen Ergebniss gelangt. Das Beispiel Amerikas würde schon allein genügen, Diess zu beweissen. Denn alle Autoren stimmen darin überein, dass, mit Ausschluss des nördlichen um den Pol her ziemlich zusammenhängenden Theiles, die Trennung der alten von der neuen Welt eine der ersten Grundlagen der geographischen Vertheilung der Organismen bilde. Wenn wir aber den weiten Amerikanischen Kontinent von den mitteln Theilen der Vereinten Staaten an bis zu seinem südlichsten Punkte durchwandern, so begegnen wir den aller-verschiedenartigsten Lebens-Bedingungen, den feuchtesten Strichen und den trockensten Wüsten, hohen Gebirgen und grasigen Ebenen, Wäldern und Marschen, Seen und Strömen mit fast jeder Temperatur. Es gibt kaum ein Klima oder eine Bedingung in der alten Welt, wozu sich nicht eine Parallele in der neuen fände, so ähnlich wenigstens, als Diess zum Fortkommen der nämlichen Arten erforderlich wäre; denn es ist ein äusserst seltener Fall, irgend eine Organismen-Gruppe auf einen kleinen Fleck mit etwas eigenthümlichen Lebens-Bedingungen beschränkt zu finden. So z. B. gibt es in der alten Welt wohl einige kleine Stellen, heisser als irgend welche in der neuen; und doch haben diese keine eigenthümliche Fauna oder
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_353.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)