Wie mag wohl der Kampf um das Daseyn, welcher im letzten Kapitel allzukurz abgehandelt worden, in Bezug auf Variation wirken? Kann das Prinzip der Auswahl für die Nachzucht, welche in des Menschen Hand so viel leistet, in der Natur angewendet werden? Ich glaube, wir werden sehen, dass ihre Thätigkeit eine äusserst wirksame ist. Erwägen wir in Gedanken, mit welch’ endloser Anzahl neuer Eigenthümlichkeiten die Erzeugnisse unsrer Züchtung und, in minderem Grade, die der Natur variiren, und wie stark die Neigung zur Vererbung ist. Durch Zähmung und Kultivirung, kann man wohl sagen, wird die ganze Organisation in gewissem Grade bildsam. Erwägen wir ferner, wie unendlich verwickelt und wie genau anschliessend die gegenseitigen Beziehungen aller organischen Wesen zu einander und zu den natürlichen Lebens-Bedingungen sind. Kann man es denn bei Erwägung, wie viele für den Menschen nützliche Abänderungen unzweifelhaft vorkommen, für unwahrscheinlich halten, dass auch andre mehr und weniger einem jeden Wesen selbst in dem grossen und zusammengesetzten Kampfe ums Leben diensame Abänderungen im Laufe von Tausenden von Generationen zuweilen vorkommen werden? Wenn solche aber vorkommen, bleibt dann noch zu bezweifeln, dass (da offenbar viel mehr Individuen
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_085.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)