Frostwetter auf den lustigen Quell der Liebelei. In dem Fall steht mein Haus Ihnen als Zuflucht offen.
Meine Liebe. Ich muß gestehen, daß Sie mich diesmal wirklich überrascht haben: Sie wollen das Kind: „und wenn ich mich vor der ganzen Welt zu seiner Herkunft bekennen müßte“; Sie behaupten sogar, es bereits glühend zu lieben: „weil ich nie einen andern Mann geliebt habe und lieben werde als seinen Vater“. So bleibt denn nur ein Ausweg.
Mir ist im Leben Alles unter den Händen entschlüpft: Liebe, Macht, Reichtum. Nur Eins war ich stark genug, festzuhalten: den unbefleckten Schild meiner Ehre. Ich war nahe daran, ihn mir von Ihnen entwenden zu lassen. Das Gefühl, das ich für Sie besaß, und das Sie immerhin Liebe nennen können, machte mich schwach, so daß ich es unterließ, Sie gewaltsam an mich zu fesseln, und schuldbewußt, so daß es mir wie Entsühnung schien, Ihre, wie ich annahm, flüchtigen Freuden nicht zu stören, die ich nicht zu schaffen vermocht hatte.
Jetzt aber, glaube ich, gleicht sich unser gegenseitiges Schuldkonto aus.
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/376&oldid=- (Version vom 31.7.2018)