Meine Liebe. Ihre Mitteilung hat mich weniger überrascht, als Sie geglaubt haben. Schon vor drei Jahren hat mich der Kardinal auf Ihre Beziehungen zum Prinzen Montbéliard aufmerksam gemacht. Ich hielt sie damals nur für eine Liaison mehr und war überzeugt –, nicht nur im Vertrauen auf den Ausspruch Gagliostros, sondern auch in Erinnerung an die schnelle Verabschiedung Ihrer früheren Liebhaber –, daß Sie um so eher ein Ende machen würden, je rascher ich Sie zur beneidetsten Frau Europas zu machen imstande wäre. Ich habe mich nach beiden Richtungen getäuscht und wenn trotzdem mein Glaube in die hellseherischen Fähigkeiten des Grafen eine Stärkung erfuhr, so deshalb, weil er Ihnen, wie Sie Sich erinnern werden, noch ein Kind prophezeite, von dem ich allerdings fälschlicherweise annahm, daß es auch das meine sein würde.
Über die Sache selbst wollen wir uns nicht mehr erregen, als es nötig ist. Sie ist bestenfalls eine – Ungeschicklichkeit, die sich unter Umständen reparieren läßt. Ich kenne in Paris Ärzte, die sich ausschließlich mit dergleichen Operationen befassen und infolge ihrer sehr großen Praxis den besten Ausgang gewährleisten.
Was nachher zu geschehen hat, wird sich finden. Gewöhnlich wirkt ein solches Ereignis wie
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 369. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/375&oldid=- (Version vom 31.7.2018)