worden ist, auch die wenigen Stunden Ihrer nächtlichen Ruhe zu respektieren?
Ich sehe mich infolgedessen zu brieflichem Verkehr gezwungen, wenn es sich um Fragen handelt, die weder vor der Dienerschaft, noch zwischen zwei Tänzen erledigt werden können.
Sie besitzen die Gunst der Königin und haben als Französin in diesen außerordentlich schweren Zeiten die Verpflichtung, sie nicht nur zu genießen, sondern guten Zwecken nutzbar zu machen. Es dürfte Ihnen bei den Neigungen der Königin nicht schwer fallen, einem Manne, wie dem Grafen Cagliostro, der all ihre unbefriedigten Wünsche zu erfüllen vermöchte, Zutritt zu verschaffen. Der Dienst, den Sie damit Frankreich geleistet haben würden, wäre von unschätzbarer Bedeutung. Zwar ist der Graf Ihnen antipathisch, – die Furcht vor dem Unerklärbaren hält Sie von ihm zurück, – aber seine Fähigkeit, Gold zu schaffen, haben Sie mit eigenen Augen gesehen. Und nur auf diese Fähigkeit, – die unbedeutendste vielleicht, die er besitzt –, käme es an.
In letzter Zeit, wo er in fiebernder Erwartung der Stunde harrt, die ihn zum Retter Frankreichs machen soll, ist sie in merkwürdigster Weise erlahmt. Ein anderer könnte an ihm irre werden. Ich aber verstehe, daß gegenüber dem Schicksal eines ganzen Landes, das Schicksal des Einzelnen zurücktreten muß. Überdies weiß ich ja, daß
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/319&oldid=- (Version vom 31.7.2018)