dann? Wer sähe, wer fühlte, wer besänge ihre Pracht!
Frauen altern rascher als Männer, sagt man. Weil Männer länger lieben. Ninon de l'Enclos war ewig jung, weil sie immer liebte.
Wird Daphnis gestatten, daß ich Delphine in meine Schule nehme?
Sie beriefen sich auf meinen letzten Brief, teure Marquise, und verlangten von mir, daß ich Ihr Haus verlasse, Ihre Nähe meide, weil Herr Mesmer die Wirkung seiner Kur durch meinen dem seinen widerstehenden Magnetismus gefährdet glaubt! Obwohl ich genau weiß, daß Herr Mesmer nicht meinen Magnetismus, sondern meinen klaren Blick und meine Zweifel fürchtet, die ihm einen so wertvollen Patienten entziehen könnten, habe ich gehorcht. Ich bin ohne Abschied bei Nacht und Nebel wie ein Verbrecher von Ihnen gegangen. Ich hätte mich sonst vielleicht nicht beherrschen können.
Während eines unserer letzten langen Gespräche sagten Sie: „Wie viel glücklicher sind Homers Zeitgenossen gewesen als wir! Jeder Baum und jede Quelle war von Dryaden und Nymphen bewohnt; für uns ist sogar der Himmel leer geworden!“ Ersetzt nicht aber unser Wissen den verlorenen Glauben, ist es notwendig, die Leere
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/238&oldid=- (Version vom 31.7.2018)