der Unglücklichen noch gesehen haben. Guibert ist Julies letzte, große Leidenschaft. Und obwohl er ihr fast alles verdankt, – sie bahnte ihm den Weg zum Ohre des verstorbenen Kriegsministers, sie interessierte den Grafen St. Germain so sehr für ihn, daß er ihn zu seinem Adjutanten ernannte, sie korrigierte seinen „Connétable von Bourbon“, so daß er auf der Bühne aufführbar wurde, – vernachlässigt er die Arme und gönnt ihr nicht einmal den frommen Betrug seiner Liebe.
Sie waren so gütig, mich zu Ihren Empfangstagen einzuladen; werden Sie auch so gütig sein, meine Ablehnung zu entschuldigen? Ich möchte Delphine Laval wiederfinden; die Sehnsucht danach ist nie erloschen. Unter den vielen Gästen der Marquise Montjoie, wo ein Abenteurer wie Beaumarchais zu den geehrtesten gehören soll, fürchte ich, Sie nur noch mehr zu verlieren.
Aber vielleicht gestatten Sie mir, Sie an einem der nächsten Tage zu Madame Geoffrin zu geleiten. In der Atmosphäre dieses Salons müssen all die verborgenen Knospen Ihres Wesens aufspringen, die weder die Treibhaushitze noch die Schneeluft Ihrer Welt zum Blühen zu bringen vermag. Meine alte Gönnerin wird Sie, wie ich Ihnen schon einmal schrieb, gern empfangen, obwohl Sie nur selten Frauen bei sich sieht. Alles, was sie in ihrem langen Leben an Bitternissen erfahren,
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/184&oldid=- (Version vom 31.7.2018)