nach einer Adresse zum Bezug der Parfilage, jener gräßlichen neuen Beschäftigung für nervöse Frauenfinger, nach den Ideen Diderots; – ich stehe vor dieser bunten Vielheit wie ein Kind vor der Jahrmarktsbude und weiß nicht, wohin ich zuerst greifen soll, auch sind leider zu wenig Geistespfennige in meinem Besitz, um für all das mit der richtigen Münze zu zahlen.
Neue Romane? Frauen schreiben sie mit derselben Fingerfertigkeit, wie sie Goldfäden zupfen. Es sind Herzensergüsse auf dem Papier, weil die Liebhaber sich aus dem Staube machten, die sonst zuhörten. Ich schicke Ihnen einige Proben und weiß, daß Ihr guter Geschmack Sie vor weiterem Bezug warnen wird. Die Zeit der Dichter ging vorüber, sobald die Wirklichkeit an den kühlen Verstand zu große Anforderungen stellte. Erst wenn wir das prosaische Problem des Sattwerdens gelöst haben, können wir uns wieder an der Tafel Anakreons mit Rosen kränzen.
Das Befinden der Königin? Sie baut in Trianon Sennhütten und interessiert sich für das Melken der behäbig blökenden Kühe und die Aufzucht friedvoller Lämmer.
Die Aussichten des Ministeriums? Sie werden unter diesem König, dem seine Räte täglich in ein anderes Jagdrevier nachreisen müssen, dem die Zahl der erlegten Rehböcke wichtiger ist, als die Zahlen des Staatsdefizits, der mit vielem
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/100&oldid=- (Version vom 31.7.2018)