der Wirkung meines Briefes zuschreiben dürfte. Aber selbst Ihr Dank, dessen Wärme so gar nicht im Verhältnis zu meiner Leistung steht, zeigt mir nur das Eine: daß Sie verschmachten, und somit auch den kleinsten Tropfen Wasser als Labung empfinden. Dabei überschütten Sie mich mit einer bunten Vielheit von Fragen, die zu beantworten ich eine wahre Encyklopädie schreiben müßte. Sie erwarten wohl auch dergleichen gefährlich Freidenkerisches, sonst würden Sie mich nicht bitten, als Deckadresse die Ihres Hofnarren zu benutzen, ein Vorgehen, das vielleicht gefährlicher ist, als wenn ein Unberufener meine Briefe liest. Sind Sie des Mannes so sicher, in dessen Hand Sie sich begeben? Ich erfuhr jetzt erst, daß er der Sohn unserer robusten Kaffeehaus-Wirtin ist, einer skrupellosen Person, die den einträglichen Weg vom Straßenmädchen zur Kupplerin hinter sich hat, und sicher für ein paar Louisdor ihre intimsten Freunde an den Galgen brächte.
Doch genug davon. Ich will versuchen, Ihre Fragen zu beantworten und zwar möglichst der Reihe nach, weil ich gewiß zu sein glaube, daß diejenigen, die Ihnen am meisten am Herzen lagen, auch an erster Stelle stehen. Dabei muß ich meine Fragen nach dem Warum der seltsamen Reihenfolge in den Hintergrund schieben.
Also zuerst: Marie-Madeleine Guimard. Ich wundere mich nicht, daß Sie so viel von ihr gehört
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/096&oldid=- (Version vom 31.7.2018)