Ehe, die Abschaffung der Mitgift. Danach wäre jedoch, wie mir scheint, die Korruption nur halb beseitigt: die Männer zwar würden nur aus Liebe wählen, die dann völlig besitzlosen Frauen dagegen noch mehr als bisher aus Berechnung.
Ich habe all diese kuriosen Dinge vor Ihnen ausgebreitet, weil ich glaube, daß sie mindestens Ihre Neugier, vielleicht auch nur Ihr Lächeln hervorrufen werden. Und das wäre schon ein Fortschritt! Dabei verlor ich den Faden meines Briefes, und kann mich über meine Stilverletzung nur durch die Zuversicht trösten, daß meine Korrespondenz niemals die Bekanntschaft eines Setzers machen wird. Ich knüpfe also wieder am Anfang an, um Ihnen zunächst einmal den Rahmen des Bildes zu geben, daß ich Ihnen später, wenn Sie mich nicht etwa schweigen heißen, im einzelnen schildern werde.
Wir befanden uns zuletzt im Kaffeehaus. Ist das Wetter schön, so ergeht sich die Menge in den späten Nachmittagsstunden in den Alleen davor. Hier zeigen sich dann auch Frauen in hübschen Polonaisen, mit Riesenmuffs oder langen Spazierstöcken. Ihre Zahl nimmt Jahr um Jahr zu; es ist Mode geworden, sich in freier Luft zu ergehen, und die Ärzte unterstützen sie nach Kräften. Die Vapeurs, die man für eine Einbildung mondainer Damen hielt, haben sich nämlich als eine ernste Erkrankung herausgestellt, und unsere
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/092&oldid=- (Version vom 31.7.2018)