Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses. | |
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haben. Was haben Sie darauf zu erwidern? Ich ermahne Sie, geben Sie der Wahrheit die Ehre und erleichtern Sie Ihr Gewissen, falls Sie schuldig sind.“
Ich entgegnete, ich sei nicht schuldig.
„Sie sagen, Sie seien nicht schuldig. Das ist schwer zu glauben. Wie wollen Sie denn Ihr Verhalten an dem Tage erklären, die Vermummung und alles andere, das Sie so schwer belastet? Vor allem, weshalb sind Sie überhaupt von London nach Baden zurückgekehrt?“
Ich lehnte es ab, hierüber Aufschluß zu geben.
Darauf fuhr er in noch eindringlicherem Tone fort: „Das kann Ihr Ernst nicht sein. Sie können auf eine solche Frage nicht mit Schweigen antworten. Es geht um Ihren Kopf. Ich ermahne Sie nochmals, geben Sie der Wahrheit die Ehre.“
Dieselbe Antwort.
Er hob die Hände mit einer Geste der Resignation, schaute die Geschworenen vielsagend an und ließ eine kleine Kunstpause eintreten. Dann stellte er Fragen über meine Verhältnisse und mein Vorleben. Sein Ziel war die Herausarbeitung des Geldmotivs; aber was er erreichte, war nicht viel. Daß jemand, durch dessen Hände innerhalb des letzten Jahres Hunderttausende gegangen waren – und ohne jede Kontrolle gegangen waren, so daß kein Mensch etwas davon hätte merken können, wenn ein Teil an seinen Fingern kleben geblieben wäre –, ein Anwalt mit guter Praxis, dem auch sonst noch genügend Hilfsquellen offen standen, auf den Gedanken verfallen sein sollte, um eine verhältnismäßig geringfügige Summe Geldes als Erbschaft in seinen Besitz zu bringen, seine Schwiegermutter zu ermorden, war nicht sehr glaublich. Selbst dann nicht, wenn man annahm, daß er sich momentan in Geldverlegenheit befand, was aber eine ganz willkürliche Annahme der Staatsanwaltschaft war. Aus dieser Annahme heraus hatte man schon einmal versucht, mir einen Betrug nachzuweisen, den ich an
Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/113&oldid=- (Version vom 31.7.2018)