und wie gleichgültig läßt mich das »geistige Milieu«! Für wen? Für wen? – Mir ist es ganz einerlei, ob mal bei meinem Begräbnis ein paar »politisch bedeutende« Leute sagen: »Wieder ein angenehmes Haus weniger – gab doch famose Diners, die Frau« und dann auf die Uhr schauen und wo anders essen gehen!
Ja, wenn man jung wäre und die Schwungkraft besäße, die der Glaube an die Wichtigkeit der Dinge stets verleiht! Aber ich bin müde – nur immer müde.
Und soziale Ambitionen! – ach, Du lieber Gott!
Wäre mein Bruder nicht bei mir, ich käme mir ganz verloren vor, denn in Berlin fühle ich mich so fremd – fremder beinahe als in Amerika oder China!
Ich hatte mir immer den Glauben bewahrt, daß es, wenn ich mal wieder nach Deutschland käme, gar nicht anders sein könne, als daß mich gleich ein wonniges Heimatsgefühl umfange – und nun ist alles so ganz anders, als ich es mir in der Ferne dachte! Es ist ja immer alles im Leben anders, als man es sich dachte – aber nie schöner!
Seit ich in Deutschland bin, warte ich beständig auf das Erwachen meines Heimatsgefühls
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/145&oldid=- (Version vom 31.7.2018)