Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage | |
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wird kein Werthurtheil ausgesprochen, sondern nur eine Thatsache ausgedrückt.
Ja, aber „das Weib“. Es wird mir mitgetheilt, dass ich mich mit Unrecht auf den Sprachgebrauch berufe, früher sei freilich Weib die Geschlechtsbezeichnung gewesen, aber die Sprache schreite fort und bei der jetzigen Verfeinerung heisse es eben „Frau“. Zu gleicher Zeit aber wird mir das alte „Frauenhaus“ ins Gedächtniss gerufen, eine, wie mir scheint, nicht ganz glückliche Erinnerung. Wer sich für das Historische interessirt, mag in Grimm’s Wörterbuche nachlesen, wie ich es gethan habe. Richtig ist, dass auch schon früher die ursprünglich als ehrende Anrede gedachte Bezeichnung „Frau“ für erwachsene Personen weiblichen Geschlechtes überhaupt, besonders in Anwendung auf sociale Verhältnisse, gebraucht worden ist. Diese Verwendung ist begreiflich und berechtigt, weil mit Weib besonders das Geschlechtswesen bezeichnet wurde und wird. Im übrigen ist das Gerede von „Fortbildung der Sprache“ reine Flunkerei. Auch heute noch wird das Wort Frau im alten Sinne gebraucht, denn das Dienstmädchen sagt: der Herr ist ja ganz gut, mit der Frau aber ist es rein nicht mehr zum Aushalten, und auch in der Anrede entspricht die Frau dem Herrn. Auch heute noch wird bei gesellschaftlichen Einrichtungen der Name Frau als Sammelbezeichnung gebraucht, man spricht auf der Eisenbahn von Frauen-Abtheilungen, wie man früher von dem Frauenzimmer sprach. Auch heute ist die Geschlechtsbezeichnung Weib, und so wird es bleiben allen Feministen zum Trotze. Wenn diese auch da, wo die weiblichen Eigenschaften als Geschlechtsmerkmale besprochen werden und das Weib dem Manne als Naturerscheinung gegenüber gestellt wird, Frau statt Weib sagen, so handelt es sich nicht um Fortbildung der Sprache, sondern um Vornehmthuerei, es ist dasselbe, wie wenn jedes Dienstmädchen Fräulein heissen will. Nächstens werden sie auch das Wort „weiblich“ durch „fraulich“ ersetzen, obwohl es jetzt einen ganz anderen Sinn hat, und werden einen weiblichen Tiger das Frauchen des Tigers nennen. Wunderlich ist noch Folgendes. Obwohl das sächliche Geschlecht bei der Bezeichnung Weib am ehesten
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/47&oldid=- (Version vom 31.7.2018)