Ganz dieselbe Bewandtniss hatte es meiner Ansicht nach ursprünglich auch mit dem Trinkgeld in öffentlichen Wirthschaften. Es ward entrichtet von Leuten, die sich dadurch Vortheile verschaffen wollten, auf die sie ohne dasselbe nicht zählen konnten: einen zuvorkommenden Empfang, ein freundliches Gesicht, eine besonders aufmerksame Bedienung, die Sicherung des gewohnten Platzes im Local oder der gewünschten Zeitungen; oder auch Vortheile materieller Art: eine reichlichere oder bessere Portion des bestellten Gerichts, ein volles Glas Bier u. s. w. Man könnte es das Trinkgeld des Stammgastes nennen, der dabei genau calculirte, was es ihm eintrug. Bei einem Fremden, der nur vorübergehend das Local besuchte, hatte es keinen Sinn, für den Stammgast machte es sich bezahlt.
In ähnlicher Weise wird das Trinkgeld in den Gasthöfen aufgekommen sein. Es ward eingeführt von Leuten, die regelmässig wiederkehren, z. B. Handlungsreisenden, die schon durch die Preisermässigung, welche sie in den Gasthöfen geniessen, eine Veranlassung haben, eine davon zu befürchtende minder respectvolle Behandlung von Seiten des Dienstpersonals durch das Trinkgeld auszugleichen; von Gutsbesitzern, die bei gewissen Gelegenheiten: Märkten, Terminen u. s. w., in die benachbarte Stadt kommen. Für diese Personen machte sich das Trinkgeld bezahlt, sowohl in der
Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)