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Seite:Das Trinkgeld.pdf/11

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ein verwerflicher, d. h. dem wahren Besten der Gesellschaft nicht entsprechender sei. Beide können sich von vornherein verirren, oder es kann auch dasjenige, was ursprünglich bei dem damaligen Zustande der Gesellschaft angemessen war, hinterher in sein Gegentheil umschlagen. Bei der Sitte beruht auf diesem Zwiespalt dessen, was ist und doch nicht sein sollte, der Begriff der Unsitte. Letztere theilt mit der Sitte das Moment der social verpflichtenden Kraft, sie übt ganz dieselbe Zwangsgewalt aus wie jene, nicht selten sogar eine noch höhere (z. B. beim Duell), sie unterscheidet sich von ihr durch die Verwerflichkeit ihres Inhaltes. Der Bestand der Unsitte schliesst für die Gesellschaft den Vorwurf in sich, dass es ihr entweder an der Einsicht fehlt, die Schädlichkeit derselben zu erkennen, oder an dem Muth, dem als unberechtigt Erkannten den Gehorsam aufzukündigen: den Vorwurf der Charakterschwäche, der socialen Feigheit. Man unterwirft sich ihr mit Widerstreben und Murren und hat doch nicht die Kraft, das Joch, das man als solches erkannt hat, abzuwerfen.


II.

Unter Trinkgeld verstehen wir, wenn wir uns correct ausdrücken wollen, eine rechtlich nicht zu beanspruchende Vergütung für eine Dienstleistung. Wo diese Vergütung vereinbart ist oder

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)