das Honorar. Mit diesem wissenschaftlichen Zweck verbindet derselbe aber zugleich den praktischen: einer Agitation gegen die Ausartung des Trinkgeldergebens, wodurch dasselbe zu einer wahren Plage des gesellschaftlichen Lebens geworden ist. Nach dieser Seite hin wendet sich derselbe an das grössere Publikum, um es für diese Agitation zu gewinnen, und diese Rücksicht ist für Ton, Haltung und Aufnahme des durch diesen Zweck bedingten Stoffes massgebend gewesen.
Ich schicke einige wenige Worte über Sitte und Unsitte voraus.
Eine allgemein übliche Art des Handelns bezeichnen wir als Volksgewohnheit. Gesellt sich zu ihr das Moment der social verpflichtenden Kraft hinzu, so wird die Gewohnheit zur Sitte, steigert sich diese verpflichtende Kraft zur rechtlichen, so zum Gewohnheitsrecht; die Sitte wird durch die Gesellschaft mittelst der moralischen Zwangsgewalt der öffentlichen Meinung, das Gewohnheitsrecht durch die Staatsgewalt mittelst äusseren Zwanges realisirt.
Sitte und Recht gehören zu den überall sich wiederholenden Formen der gesellschaftlichen Ordnung, ihr Dasein und ihre Daseinsberechtigung ist mit dem Bestehen der Gesellschaft gegeben. Dies schliesst aber nicht aus, dass ihr Inhalt ausnahmsweise
Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/10&oldid=- (Version vom 31.7.2018)