Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9) | |
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Die Geschwister hatten sich bei diesen Worten erstaunt angesehen.
Doch Hilgener ließ sich durch die verwunderten Gesichter nicht stören. „Ich habe euch schon gestern die Gründe entwickelt,“ fuhr er lebhaft fort, „die mich an dem frommen Inhalt der Koransure zweifeln ließen, verschwieg euch aber dabei das Wichtigste. Denn ich vermutete zugleich, daß der Geheimschreiber für die zweite Hälfte seines Briefes nicht die türkische Sprache, sondern nur deren Schriftzeichen gewählt hatte, vermutete weiter, daß ich in seinen vorhergehenden Briefen vielleicht eine Abschrift des türkischen Alphabets, die dem Danziger Lehrer eine Übertragung ähnlicher früherer Nachrichten ermöglichen sollte, finden würde. Trotzdem nun mein Suchen danach vergeblich war, habe ich diesen Gedanken doch weiter verfolgt, da ich mir sagte, daß Jussuf Meinert auch sehr wohl gehofft haben konnte, sein Bruder werde allein schon durch die eigentümlich gefaßte deutsche Einleitung auf die Idee kommen, mit Hilfe eines leicht zu beschaffenden türkischen Alphabets die Übersetzung des anderen Teils zu versuchen. Doch der schlaue Geheimschreiber hat an den Scharfsinn des Adressaten zu große Anforderungen gestellt, wie aus einer der nächsten Notizen des Tagebuchs hervorgeht, die sich über die vollkommene Unklarheit dieses Schreibens ausläßt. Ebenso scheint auch niemand der folgenden Meinertschen Generationen der Koransure irgendwelche Wichtigkeit beigemessen zu haben. In dürftigen Verhältnissen lebten sie dahin, ohne zu ahnen, daß das von ihrem Ahn in den blauen Zeilen verheißene Glück nichts anderes war als Reichtum, der Besitz großer verborgener Schätze!“
Menk und Frau Elsa hatten sich atemlos vorgebeugt. Was sie da hörten, klang ihnen wie eine jener abenteuerlichen
Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1908, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tagebuch_eines_Irren.pdf/34&oldid=- (Version vom 31.7.2018)