Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9) | |
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Ölbaumpflanzung, die das sanft aufsteigende Ufergelände hier bedeckte.
In jener Nacht vom 19. zum 20. Oktober 1827 ankerte in dem geschützten Hafen von Navarino als einziges größeres Kauffahrteischiff ein Klipper, dessen scharfe Bauart und große Takelage jedem Seemann auf den ersten Blick den Schnellsegler verriet. Er führte an der Gaffel die hamburgische Flagge und zeigte unter dem Bugspriet eine reichvergoldete Galionsfigur, die in Übereinstimmung mit dem Namen des Schiffes den Kaiser Barbarossa darstellte.
An der Reling auf der Backbordseite standen zwei Männer, die mit ihren Nachtgläsern eifrig nach der kaum fünfhundert Meter vor ihnen liegenden „Alexandria“ hinüberschauten.
Jetzt setzte der eine das Fernrohr ab und sagte unzufrieden: „Die Zeit ist längst vorüber. Da Meinert uns das Zeichen nicht gegeben hat, können wir wohl annehmen, daß inzwischen nichts Wichtiges vorgefallen ist, trotzdem dieser Abendbesuch des Engländers bei dem Kapudan-Bei genug zu denken gibt.“
„Seien Sie doch froh, daß das blaue Signal heute nicht aufleuchtet!“ meinte der andere scherzend. „Sonst müßten Sie heute wieder diese gefährliche Schwimmtour unternehmen.“
Die elastische Gestalt des jungen Steuermanns richtete sich straffer auf. „Die Türken sind Schlafmützen, Herr Wegener! Haben sie mich bisher nicht bemerkt, so werde ich ihnen auch weiter entgehen. Und schließlich – was kann mir passieren? Ich tauche wie ein Fisch, und ehe sie ihre alten Musketen schußfertig gemacht haben, bin ich lange außer Sicht.“
Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1908, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tagebuch_eines_Irren.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)