Ist der Schmerz sehr heftig, so führt er sehr bald äußerste Niedergeschlagenheit oder Erschöpfung herbei. Aber zuerst ist er ein Reizmittel und regt zu Handlungen an, wie wir sehen, wenn wir ein Pferd peitschen, und wie es sich zeigt durch die schrecklichen Qualen, die in fremden Ländern erschöpften Zugstieren beigebracht werden, um sie zu erneuerter Anstrengung anzutreiben. Furcht ist andrerseits die niederschlagendste von allen Gemüthserregungen; sie führt bald die äußerste hülflose Erschöpfung herbei, gewissermaßen in Folge oder in Association mit den heftigsten und fortgesetztesten Anstrengungen der Gefahr zu entfliehen, wenn auch derartige Versuche factisch nicht gemacht worden sind. Nichtsdestoweniger wirkt selbst äußerste Furcht häufig zu Anfang wie ein mächtiges Reizmittel. Ein durch Schreck zur Verzweiflung getriebener Mensch oder ein Thier wird mit wunderbarer Kraft begabt und ist notorisch im höchsten Grade gefährlich.
Im Ganzen können wir schließen, daß das Princip der directen Einwirkung des Sensoriums auf den Körper, welches eine Folge der Constitution des Nervensystems und von Anfang an unabhängig vom Willen ist, in hohem Grade von Einfluß auf die Bestimmung vieler Ausdrucksformen gewesen ist. Gute Beispiele hiefür werden von dem Zittern der Muskeln, dem Schwitzen der Haut, den modificirten Absonderungen des Nahrungscanals und der Drüsen bei verschiedenen Gemüthserregungen und Empfindungen dargeboten. Aber Thätigkeiten dieser Art werden oft mit andern combinirt, welche eine Folge unseres ersten Princips sind, nämlich, daß Handlungen, welche häufig von directem oder indirectem Nutzen waren, um bei gewissen Seelenzuständen gewisse Empfindungen, Begierden u. s. w. zu befriedigen oder zu erleichtern, noch immer unter analogen Umständen durch bloße Gewohnheit ausgeführt werden, obgleich sie von keinem Nutzen sind. Wir sehen Combinationen dieser Art wenigstens zum Theil in den wahnsinnigen Geberden der Wuth und in dem Sich-winden unter äußerstem Schmerz und vielleicht auch in der vermehrten Thätigkeit des Herzens und der Respirationsorgane. Selbst wenn diese und andere Gemüthsbewegungen oder Empfindungen in einer sehr schwachen Art erregt werden, wird doch eine Neigung zu ähnlichen Handlungen in Folge der Macht lange associirter Gewohnheit eintreten; und diese Handlungen, welche am wenigsten unter der Controle des Willens
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/80&oldid=- (Version vom 31.7.2018)