Heulen verursacht haben, wobei mit den Zähnen geknirscht und der Körper gewunden wurde. Unsere Urerzeuger werden aber jene in so hohem Grade ausdrucksvollen Gesichtszüge nicht eher dargeboten haben, welche das Schreien und Weinen begleiten, als bis ihre Circulations- und Respirationsorgane und die die Augen umgebenden Muskeln ihren gegenwärtigen Bau erlangt hatten. Das Vergießen von Thränen scheint durch Reflexthätigkeit in Folge der krampfhaften Zusammenziehung der Augenlider, vielleicht in Verbindung mit einer Überfüllung der Augen mit Blut während des Actes des Schreiens, entstanden zu sein. Das Weinen trat daher wahrscheinlich spät in der Reihe unserer Vorfahren auf; dieser Schluß stimmt mit der Thatsache überein, daß unsere nächsten Verwandten, die anthropomorphen Affen, nicht weinen. Wir müssen hier indessen mit einiger Vorsicht auftreten; denn da gewisse Affen, welche nicht nahe mit den Menschen verwandt sind, weinen, so kann sich diese Gewohnheit schon vor langer Zeit bei einem Unterzweige der Gruppe entwickelt haben, von welcher der Mensch ausgegangen ist. Wenn unsere frühern Urerzeuger von Kummer oder Sorgen litten, werden sie nicht eher ihre Augenbrauen schräg gestellt oder ihre Mundwinkel herabgezogen haben, bis sie die Gewohnheit erlangt hatten, zu versuchen, ihr Schreien zu unterdrücken. Es ist daher der Ausdruck des Kummers und der Sorge in eminentem Grade menschlich.
Wuth wird schon in einer sehr frühen Zeit durch drohende oder rasende Geberden, durch Rothwerden der Haut und durch starrende Augen, aber nicht durch ein Stirnrunzeln ausgedrückt worden sein. Die Gewohnheit, die Stirne zu runzeln, scheint nämlich dadurch erlangt worden zu sein, daß die Augenbrauenrunzler (Corrugatoren) die ersten Muskeln waren, welche sich zusammenzogen, sobald während der frühesten Kindheit Schmerz, Zorn oder Trübsal empfunden wurde, zum Theil auch dadurch, daß das Runzeln der Stirn als Schirm bei schwierigem und intensivem Sehen diente. Diese Handlung, mit den Augenbrauen einen Schirm für die Augen zu bilden, scheint wahrscheinlicherweise nicht eher gewohnheitsgemäß geworden zu sein, bis der Mensch eine vollkommen aufrechte Stellung angenommen hatte; denn Affen runzeln ihre Augenbrauen nicht, wenn sie blendendem Lichte ausgesetzt werden. Unsere frühen Urerzeuger werden wahrscheinlich, wenn sie in Wuth gerathen sind, ihre Zähne noch weiter gezeigt haben, als es jetzt der Mensch thut, selbst wenn er seinem
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/352&oldid=- (Version vom 31.7.2018)