der Vererbung des Nickens und Schüttelns des Kopfes als Zeichen der Bejahung und der Verneinung sind zweifelhaft; dieselben sind nämlich nicht ganz allgemein, scheinen indessen doch zu weit verbreitet zu sein, als daß sie von allen Individuen so vieler Rassen unabhängig hätten erlangt werden können.
Wir wollen nun untersuchen, wie weit der Wille und das Bewußtsein bei der Entwickelung der verschiedenartigen Bewegungen des Ausdrucks mit in’s Spiel gekommen sind. So weit wir es beurtheilen können, sind nur einige wenige ausdruckgebende Bewegungen, solche wie die oben angeführten, von jedem Individuum gelernt worden, d. h. sind bewußterweise und willkürlich während der frühern Lebensjahre zu irgend einem bestimmten Zwecke oder aus Nachahmung Anderer ausgeführt und dann zur Gewohnheit geworden. Die bei weitem größere Zahl der Bewegungen des Ausdrucks, und alle die bedeutungsvolleren, sind, wie wir gesehen haben, angeboren oder vererbt, und von diesen kann man nicht sagen, daß sie vom Willen des Individuum abhängen. Nichtsdestoweniger waren alle die unter unser erstes Gesetz Fallenden ursprünglich zu einem bestimmten Zwecke ausgeführt worden — nämlich um irgend einer Gefahr zu entgehen, irgend eine Noth zu erleichtern oder irgend ein Verlangen zu befriedigen. Es kann z. B. darüber kaum ein Zweifel bestehen, daß die Thiere, welche mit ihren Zähnen kämpfen, die Gewohnheit, wenn sie wild werden, ihre Ohren rückwärts dicht an den Kopf zu drücken, dadurch erlangt haben, daß ihre Voreltern willkürlich in dieser Weise gehandelt haben, um ihre Ohren vor dem Zerrissenwerden durch ihre Gegner zu schützen; denn diejenigen Thiere, welche nicht mit ihren Zähnen kämpfen, drücken einen wild gereizten Seelenzustand nicht in dieser Weise aus. Wir können es für in hohem Grade wahrscheinlich halten, daß wir selbst die Gewohnheit, die Muskeln rings um die Augen zusammenzuziehen, wenn wir ruhig weinen, d. h. ohne die Äußerung irgend eines Lautes, dadurch erlangt haben, daß unsere Urerzeuger besonders während der Kindheit beim Acte des Schreiens ein unbehagliches Gefühl in ihren Augäpfeln empfunden haben. Ferner sind einige in hohem Grade ausdrucksvolle Bewegungen das Resultat des Versuchs, andere ausdruckgebende Bewegungen aufzuhalten oder zu verhindern; so ist die schräge Stellung der Augenbrauen und das Herabziehen der Mundwinkel eine Folge des Versuchs, den Ausbruch eines Schreianfalls zu verhüten oder ihn zu unterbrechen, wenn er eingetreten ist. Hier liegt
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/344&oldid=- (Version vom 31.7.2018)