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Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/80

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ornamentalen Anhänge durch geschlechtliche Zuchtwahl gedient haben. Verlängerte Federn oder Schmuckfedern entspringen von beinahe jedem Theile des Körpers. Die Federn an der Kehle und der Brust sind zuweilen zu schönen Kragen und Halskrausen entwickelt. Die Schwanzfedern sind häufig sehr verlängert, wie wir an den Schwanzdeckfedern des Pfauhahns und am Schwanze des Argusfasans sehen. Beim Pfauhahn sind selbst die Knochen des Schwanzes zum Tragen der schweren Schwanzdeckfedern modificirt worden.[1] Der Körper des Argusfasans ist nicht grösser als der eines Huhns; doch beträgt die Länge von der Spitze des Schnabels bis zum Ende des Schwanzes nicht weniger als fünf Fuss drei Zoll,[2] und die der sehr schön mit Augenflecken gezierten Flügelfedern zweiter Ordnung nahezu drei Fuss. Bei einem kleinen africanischen Ziegenmelker (Cosmetornis vexillaris) erreicht eine der Schwungfedern erster Ordnung während der Paarungszeit eine Länge von sechsundzwanzig Zoll, während der Vogel selbst nur zehn Zoll lang ist. Bei einer andern nahe verwandten Gattung von Ziegenmelkern sind die Schäfte der verlängerten Flügelfedern nackt mit Ausnahme der Spitze, wo sie eine Scheibe tragen.[3] Ferner sind in einer andern Gattung von Ziegenmelkern die Schwanzfedern selbst noch ungeheurer entwickelt. Im Allgemeinen sind die Federn des Schwanzes häufiger verlängert, als die der Flügel, da jede bedeutende Verlängerung derselben den Flug beeinträchtigen würde. Wir sehen daher, dass eine und dieselbe Art von Verzierung von den Männchen nahe verwandter Vögel durch die Entwickelung sehr verschiedener Federn erlangt worden ist.

Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass die Federn von Vogelarten, welche zu sehr verschiedenen Gruppen gehören, in beinahe genau derselben eigenthümlichen Weise modificirt worden sind. So sind die Flügelfedern bei einem der oben erwähnten Ziegenmelker am ganzen Schafte nackt und endigen nur in einer Scheibe, oder sie sind, wie es zuweilen genannt wird, löffel- oder spatelförmig. Federn dieser Art kommen am Schwanze eines Motmot (Eumomota superciliaris), eines Eisvogels, Finken, Colibri’s, Papageien, mehrerer indischer Drongos (Dicrurus und Edolius, bei einem derselben steht die Scheibe senkrecht)



  1. Dr. W. Marshall, Ueber den Vogelschwanz, ebenda, Bd. I. Hft. 2. 1872.
  2. Jardine’s Naturalist’s Library: Birds. Vol. XIV, p. 166.
  3. Sclater, in: Ibis, Vol. VI. 1864, p. 114. Livingstone, Expedition to the Zambesi. 1865, p. 66.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/80&oldid=- (Version vom 31.7.2018)