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Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/375

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Männchen um den Besitz der Weibchen vergrössert worden sind. Die grössere intellectuelle Kraft und das stärkere Erfindungsvermögen beim Manne ist wahrscheinlich eine Folge natürlicher Zuchtwahl in Verbindung mit den vererbten Wirkungen der Gewohnheit; denn die fähigsten Männer werden beim Vertheidigen und bei dem Sorgen für sich selbst, für ihre Weiber und ihre Nachkommen den besten Erfolg gehabt haben. Soweit es die äusserst verwickelte Natur des Gegenstandes uns gestattet zu urtheilen, scheint es, als hätten unsere männlichen affenähnlichen Urerzeuger ihre Bärte als Zierathen erlangt, um das andere Geschlecht zu bezaubern oder zu reizen, und sie dann nur ihren männlichen Nachkommen überliefert. Die Weibchen wurden allem Anscheine nach zuerst in gleicher Weise zur geschlechtlichen Zierde der Haardecke entkleidet; sie überlieferten aber diesen Character beinahe gleichmässig beiden Geschlechtern. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Weibchen auch in anderen Beziehungen zu demselben Zwecke und durch dieselben Mittel modificirt wurden, so dass die Frauen angenehmere Stimmen erhalten haben und schöner geworden sind als die Männer.

Es verdient besondere Beachtung, dass beim Menschengeschlechte die Bedingungen für die Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl während einer sehr frühen Periode, wo der Mensch gerade eben den Rang der Menschlichkeit erreicht hatte, in vielen Beziehungen viel günstiger waren, als während späterer Zeiten. Denn er wird damals, wie wir getrost schliessen können, mehr durch seine instinctiven Leidenschaften und weniger durch Vorsicht oder Vernunft geleitet worden sein. Er wird damals eifersüchtig sein Weib oder seine Weiber gehütet haben. Er wird damals weder Kindesmord ausgeübt haben, noch wird er seine Frauen lediglich als nützliche Sclaven geschätzt haben, noch wird er sie während früher Kindheit verlobt haben. Wir können daher schliessen, dass die Rassen des Menschen, soweit geschlechtliche Zuchtwahl in Betracht kommt, zum hauptsächlichsten Theile während einer sehr entfernt liegenden Epoche differenzirt wurden; und diese Schlussfolgerung wirft auf die merkwürdige Thatsache Licht, dass in der allerältesten Periode, von welcher wir jetzt überhaupt irgend einen Bericht erhalten haben, die Rassen des Menschen bereits nahezu oder vollständig so weit von einander verschieden geworden waren, als sie heutigen Tages sind.

Die hier über die Rolle, welche geschlechtliche Zuchtwahl in der


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/375&oldid=- (Version vom 31.7.2018)