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Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/345

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Wie für den Schädel, so gilt dasselbe auch für die Nase. Die alten Hunnen waren während des Zeitalters des Attila gewöhnt, die Nasen ihrer Kinder mit Bandagen abzuplatten „zum Zwecke der Uebertreibung einer natürlichen Bildung“. Bei den Tahiti-Insulanern wird die Benennung „Langnase“ für eine Insulte gehalten, und sie comprimiren die Nasen und Stirnen ihrer Kinder zum Zwecke der Schönheit. Dasselbe ist der Fall bei den Malayen von Sumatra, den Hottentotten, gewissen Negern und den Eingeborenen von Brasilien.[1] Die Chinesen haben von Natur ungewöhnlich kleine Füsse;[2] und es ist wohlbekannt, dass die Frauen der oberen Classen ihre Füsse verdrehen, um sie noch kleiner zu machen. Endlich glaubt Humboldt, dass die americanischen Indianer deshalb ihre Körper mit rother Farbe so gern anstreichen, um ihre natürliche Farbe zu übertreiben, und noch bis in die neueste Zeit erhöhen europäische Frauen ihre natürlichen hellen Farben durch rothe und weisse Schminke. Es dürfte aber doch zweifelhaft sein, ob barbarische Nationen irgend derartige Absichten hatten, als sie sich bemalten.

Bei den Moden unserer eigenen Kleidung sehen wir genau dasselbe Princip und denselben Wunsch, jeden Punkt bis zum Extrem zu führen; auch zeigt sich hier derselbe Geist des wetteifernden Ehrgeizes. Es sind aber die Moden der Wilden viel beständiger als unsere; und wo nur immer ihre Körper künstlich modificirt werden, ist dies nothwendigerweise der Fall. Die arabischen Frauen des oberen Nils brauchen ungefähr drei Tage dazu, ihr Haar zu ordnen. Sie ahmen niemals andern Stämmen nach, sondern wetteifern nur unter einander „in der höchsten Entwickelung ihres eigenen Stils“. Dr. Wilson spricht von den zusammengedrückten Schädeln verschiedener americanischer Rassen und fügt hinzu: „derartige Gebräuche gehören zu den am wenigsten zu beseitigenden und überleben um lange Zeit den Anprall der Revolutionen, welche Dynastien wechseln lassen und bedeutungsvollere Nationaleigenthümlichkeiten beseitigen“.[3] Dasselbe


  1. Ueber die Hunnen s. Godron, De l’Espèce, Tom. II. 1859, p. 300. Ueber die Eingeborenen von Tahiti s. Waitz, Anthropolog. Vol. I, p. 305. Marsden, citirt von Prichard, Physic. Hist. of Mankind, 3. edit. Vol. V, p. 67. Lawrence, Lectures on Physiology, p. 337.
  2. Diese Thatsache wurde auf der Reise der Novara festgestellt, s. Anthropologischer Theil, Dr. Weisbach, 1867, p. 265.
  3. Smithsonian Institution, 1863, p. 289. Ueber die Moden der arabischen Frauen s. Sir S. Baker, The Nile Tributaries, 1867, p. 121.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/345&oldid=- (Version vom 31.7.2018)