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Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/210

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Ein anderer Punkt ist zweifelhafter: ob nämlich die nacheinander auftretenden Abänderungen bei den Männchen zuerst erschienen, nachdem sie nahezu geschlechtsreif geworden waren, oder während ihrer Jugend. In beiden Fällen muss geschlechtliche Zuchtwahl auf das Männchen gewirkt haben, als es mit Nebenbuhlern um den Besitz des Weibchens zu concurriren hatte; und in beiden Fällen sind die so erlangten Charactere auf beide Geschlechter und auf alle Altersstufen überliefert worden. Wenn aber diese Charactere von den Männchen erlangt wurden, als sie erwachsen waren, so könnten sie anfangs allein den Erwachsenen wieder vererbt und in einer späteren Periode auf die Jungen übertragen worden sein. Denn es ist bekannt, dass wenn das Gesetz der Vererbung zu entsprechenden Lebensaltern fehlschlägt, die Nachkommen häufig Charactere in einem früheren Alter erben als in dem, in welchem sie zuerst bei ihren Eltern erschienen waren.[1] Dem Anscheine nach Fälle dieser Art sind bei Vögeln im Naturzustande beobachtet worden. So hat beispielsweise Mr. Blyth Exemplare von Lanius rufus und von Colymbus glacialis gesehen, welche während sie noch jung waren, in einer völlig abnormen Weise das erwachsene Gefieder ihrer Eltern angenommen hatten.[2] Ferner werfen die Jungen des gemeinen Schwans (Cygnus olor) ihre dunklen Federn nicht eher ab und werden nicht früher weiss, als bis sie achtzehn Monate oder zwei Jahre alt sind; Dr. Forel hat aber einen Fall beschrieben, wo drei kräftige junge Vögel unter einer Brut von vier rein weiss geboren wurden. Diese jungen Vögel waren keine Albinos, wie sich durch die Farbe ihrer Schnäbel und Beine zeigte, welche nahezu den entsprechenden Theilen der Erwachsenen glichen.[3]

Es dürfte sich verlohnen, die oben angeführte dreifache Art und Weise, auf welche in der vorliegenden Classe die beiden Geschlechter und die Jungen dazu gekommen sein könnten, einander zu gleichen, durch den merkwürdigen Fall der Gattung Passer zu erläutern.[4]


  1. Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. 2, S. 91.
  2. Charlesworth, Magaz. of Natur. Hist. Vol. I. 1837, p. 305, 306.
  3. Bulletin de la Société Vaudoise des Scienc. Natur. Vol. X. 1869, p. 132. Die Jungen des polnischen Schwans, Cygnus immutabilis von Yarrell, sind immer weiss; man glaubt aber, wie mir Mr. Sclater mittheilt, dass diese Species nichts Anderes ist als eine Varietät des domesticirten Schwans (Cygnus olor).
  4. Ich bin Mr. Blyth für Mittheilungen in Bezug auf diese Gattung verbunden. Der Sperling von Palästina gehört zu der Untergattung Petronia.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/210&oldid=- (Version vom 31.7.2018)