im Jahre zu mausern, in den meisten oder sämmtlichen Fällen zuerst zu irgend einem bestimmten Zwecke erlangt worden ist, vielleicht um ein wärmeres Winterkleid zu bekommen, und dass Aenderungen im Gefieder, welche während des Sommers auftreten, durch geschlechtliche Zuchtwahl angehäuft und auf die Nachkommen in derselben Zeit des Jahres überliefert wurden. Derartige Abänderungen wurden dann entweder von beiden Geschlechtern oder allein von den Männchen geerbt, je nach der Form von Vererbung, welche bei den betreffenden Arten vorherrschte. Dies erscheint wahrscheinlicher, als dass diese Species in allen Fällen ursprünglich die Neigung besessen hätten, ihr ornamentales Gefieder während des Winters zu behalten, hiervor aber durch natürliche Zuchtwahl bewahrt geblieben wären, wegen der dadurch veranlassten Unbequemlichkeit oder Gefahr.
Ich habe in diesem Capitel zu zeigen versucht, dass das Beweismaterial die Ansicht, dass Waffen, helle Farben und verschiedene Zierathen jetzt deshalb auf die Männchen beschränkt sind, weil die natürliche Zuchtwahl die Neigung zu gleichmässiger Vererbung der Charactere auf beide Geschlechter in eine Ueberlieferung allein auf das männliche Geschlecht umgewandelt habe, nicht in einer zuverlässigen Weise unterstützt. Es ist auch zweifelhaft, ob die Färbungen vieler weiblichen Vögel Folge einer zum Zwecke des Schutzes eintretenden Erhaltung von Abänderungen sind, welche von Anfang an in ihrer Ueberlieferung auf das weibliche Geschlecht beschränkt waren. Es wird aber zweckmässig sein, jede weitere Erörterung über diesen Gegenstand so lange zu verschieben, bis ich im folgenden Capitel die Verschiedenheiten im Gefieder zwischen den jungen und alten Vögeln behandeln werde.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/183&oldid=- (Version vom 31.7.2018)