so ist es nicht sehr unwahrscheinlich, dass bei kurzschwänzigen Affen der vorspringende, functionell nutzlose Theil des Schwanzes nach vielen Generationen rudimentär und verdreht worden ist, weil er beständig gerieben und verdrückt wurde. Wir sehen beim Macacus brunneus den vorspringenden Theil in diesem Zustand und beim M. ecaudatus und mehreren höheren Affen vollständig abortirt. So weit wir es beurtheilen können, ist dann schliesslich der Schwanz beim Menschen und bei den anthropomorphen Affen in Folge davon verschwunden, dass der terminale Theil eine sehr lange Zeit hindurch durch Reibung beschädigt wurde, während der basale, in der Haut eingebettete Theil reducirt und modificirt wurde, um sich der aufrechten oder halbaufrechten Stellung anzupassen.
Ich habe nun zu zeigen versucht, dass einige der unterscheidendsten Merkmale des Menschen aller Wahrscheinlichkeit nach entweder direct oder, und zwar häufiger, indirect durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Wir müssen im Auge behalten, dass Modificationen in der Bildung oder der Constitution, welche für einen Organismus zur Anpassung an Lebensgewohnheiten oder an die von ihm verzehrte Nahrung oder passiv an die ihn umgebenden Bedingungen von keinem Nutzen sind, auf diese Weise nicht erlangt werden können. Wir dürfen indessen bei der Entscheidung, welche Modificationen für jedes Wesen von Nutzen sind, nicht zu sicher sein; wir müssen uns daran erinnern, wie wenig wir über den Gebrauch vieler Theile wissen oder was für Veränderungen im Blute oder den Geweben einen Organismus für ein neues Clima oder irgend eine neue Art von Nahrung geeignet zu machen dienen können. Auch dürfen wir das Princip der Correlation nicht vergessen, durch welches, wie Isidore Geoffroy in Bezug auf den Menschen gezeigt hat, viele fremdartige Bildungsabweichungen unter einander verbunden werden. Unabhängig von der Correlation führt eine Veränderung in einem Theile oft in Folge des vermehrten oder verminderten Gebrauchs andrer Theile zu andern Veränderungen einer vollständig unerwarteten Art. Auch ist es gut sich solcher Thatsachen zu erinnern wie des wunderbaren Wachsthums von Gallen auf Pflanzen, welches das Gift eines Insects veranlasste, und der merkwürdigen Farbenveränderungen im Gefieder von Papageien, wenn sie sich von gewissen
Allgemeinen: Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. 2, S. 26—28.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/91&oldid=- (Version vom 31.7.2018)