die geistigen Kräfte sich irgendwie veränderten, oder sollten die geistigen Kräfte bedeutend vergrössert oder verringert werden, ohne dass irgend eine beträchtliche Aenderung in der Körpergrösse einträte, so würde beinahe gewiss die Form des Schädels verändert werden. Ich komme zu dieser Folgerung nach meinen Beobachtungen an domesticirten Kaninchen, von denen einige Arten sehr viel grösser geworden sind als das wilde Thier, während andere nahezu dieselbe Grösse behalten haben; in beiden Fällen aber ist das Gehirn im Verhältniss zur Grösse des Körpers beträchtlich kleiner geworden. Ich war nun anfangs sehr erstaunt, als ich fand, dass bei allen diesen Kaninchen der Schädel verlängert oder dolichocephal geworden war; so war z. B. von zwei Schädeln ziemlich derselben Breite, — der eine von einem wilden Kaninchen, der andere von einer grossen domesticirten Form, — der erstere nur 3,15, der letztere 4,3 Zoll lang.[1] Eine der ausgesprochensten Verschiedenheiten bei den verschiedenen Menschenrassen ist die, dass der Schädel bei den einen verlängert, bei den andern abgerundet ist; und hier mag die aus dem Falle mit dem Kaninchen sich ergebende Erklärung zum Theil wohl gelten; denn Welcker findet, dass „kleine Menschen mehr zur Brachycephalie, grosse mehr zur Dolichocephalie neigen“;[2] und grosse Leute lassen sich wohl mit den grösseren Kaninchen mit längerem Kopfe vergleichen, welche sämmtlich verlängerte Schädel haben oder dolichocephal sind.
Nach diesen verschiedenen Thatsachen können wir bis zu einem gewissen Punkte die Mittel erkennen, durch welche der Mensch die beträchtliche Grösse und die mehr oder weniger abgerundete Form seines Schädels erlangt hat; und dies sind gerade Merkmale, welche ihm in einer ausgezeichneten Weise, zum Unterschiede von den niederen Thieren, eigen sind.
Eine andere äusserst auffällige Verschiedenheit zwischen dem Menschen und den niederen Thieren ist die Nacktheit seiner Haut. Walfische und Delphine (Cetacea), Dugongs (Sirenia) und der Hippopotamus sind nackt. Dies mag für dieselben beim Gleiten durch das Wasser von Vortheil sein; auch wird es kaum wegen des Wärmeverlusts von Nachtheil für sie sein, da diejenigen Arten unter ihnen, welche kältere
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/86&oldid=- (Version vom 31.7.2018)