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Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/75

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werden und denselben allgemeinen Gesetzen folgen, wie bei den niederen Thieren. Der Mensch hat sich weit über die Oberfläche der Erde verbreitet und muss während seiner unaufhörlichen Wanderungen[1] den verschiedenartigsten Bedingungen ausgesetzt gewesen sein. Die Einwohner des Feuerlandes, des Caps der guten Hoffnung und Tasmaniens in der einen Hemisphäre und der arctischen Gegenden in der andern müssen durch verschiedene Climate hindurchgegangen sein und ihre Lebensweise viele Male verändert haben, ehe sie ihre jetzigen Wohnstätten erreichten.[2] Die frühen Urerzeuger des Menschen müssen auch wie alle andern Thiere die Neigung gehabt haben, über das Maass ihrer Subsistenzmittel hinaus sich zu vermehren; sie müssen daher gelegentlich einem Kampfe um die Existenz ausgesetzt gewesen und in Folge dessen dem starren Gesetze der natürlichen Zuchtwahl unterlegen sein. Wohlthätige Abänderungen aller Arten werden daher entweder gelegentlich oder gewöhnlich erhalten, schädliche beseitigt worden sein. Ich beziehe mich hierbei nicht auf stark markirte Abweichungen des Baues, welche nur in langen Zeitintervallen auftreten, sondern auf lediglich individuelle Verschiedenheiten. Wir wissen z. B., dass die Muskeln unserer Hände und Füsse, welche unser Bewegungsvermögen bestimmen, wie die der niederen Thiere,[3] unaufhörlicher Variabilität unterliegen. Wenn nun die Urerzeuger des Menschen, welche irgend einen District, besonders einen solchen bewohnten, der in seinen Bedingungen eine gewisse Veränderung erfuhr, in zwei gleiche Massen getheilt würden, so würde die eine Hälfte, welche alle die Individuen umfasste, welche durch ihr Bewegungsvermögen am besten dazu ausgerüstet wären, ihre Subsistenz zu erlangen oder sich zu verteidigen, im Mittel in einer grösseren Zahl überleben bleiben und mehr Nachkommen erzeugen als die andere und weniger gut ausgerüstete Hälfte.

Der Mensch ist in dem rohesten Zustand, in welchem er jetzt existirt, das dominirendste Thier, was je auf der Erde erschienen ist.


  1. s. einige gute Bemerkungen hierüber von W. Stanley Jevons, A deduction from Darwin’s Theory. „Nature“, 1869. p. 231.
  2. Latham, Man and his Migrations. 1851, p. 135.
  3. Murie und St. George Mivart sagen in ihrer Anatomie der Lemuriden (Transact. Zoolog. Soc. Vol. VII. 1869, p. 96—98): „einige Muskeln sind so unregelmässig, dass sie keiner der erwähnten Gruppen irgendwie eingeordnet werden „können“. Diese Muskeln weichen selbst in den beiden Seiten eines und desselben Individuum von einander ab.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)