in das vorliegende Capitel des Rückschlags gehören. Gewisse Bildungen, welche regelmässig bei den niederen Thieren der Gruppe, zu welcher der Mensch gehört, vorkommen, treten gelegentlich auch bei ihm auf, wenn sie sich auch nicht an dem normalen menschlichen Embryo vorfinden, oder sie entwickeln sich, wenn sie normal am menschlichen Embryo vorhanden sind, in einer abnormen Weise, obschon diese Entwickelungsweise für die niedrigeren Glieder derselben Gruppe normal ist. Diese Bemerkungen werden durch die folgenden Erläuterungen noch deutlicher werden.
Bei verschiedenen Säugethieren geht der Uterus allmählich aus der Form eines doppelten Organs mit zwei getrennten Oeffnungen und zwei Canälen, wie bei den Beutelthieren, in die Form eines einzigen Organes über, welches mit Ausnahme einer kleinen inneren Falte kein weiteres Zeichen der Verdoppelung zeigt; so bei den höheren Affen und dem Menschen. Die Nagethiere bieten eine vollständige Reihe von Abstufungen zwischen diesen beiden äussersten Zuständen dar. Bei allen Säugethieren entwickelt sich der Uterus aus zwei primitiven Tuben, deren untere Theile die Hörner bilden, und mit den Worten des Dr. Farre: „der Körper des Uterus bildet sich beim Menschen durch die Verwachsung der beiden Hörner an ihren unteren Enden, während bei denjenigen Thieren, bei welchen kein mittlerer Theil oder Körper
wiedererscheinen können. Dr. Zouteveen hat mir mitgetheilt, dass ein Fall bekannt ist, wo ein Mann vierundzwanzig Finger und vierundzwanzig Zehen hatte! Zu der Folgerung, dass das Vorhandensein überzähliger Finger eine Folge des Rückschlags sei, wurde ich vorzüglich durch die Thatsache geführt, dass derartige Finger nicht bloss streng vererbt wurden, sondern auch, wie die normalen Finger niederer Wirbelthiere, das Vermögen haben, nach Amputationen wieder zu wachsen. Diese Thatsache des Wiederwachsens bleibt unerklärlich, wenn die Annahme eines Rückschlags zur Form eines äusserst weit zurückliegenden Vorfahren verworfen wird. Gehemmte Entwickelung und Rückschlag hängen innig mit einander zusammen; es wird daher der Glaube an Rückschlag im vorliegenden Falle durch das häufige, oder beinahe constante gleichzeitige Auftreten andrer Entwickelungshemmungen mit den überzähligen Fingern bestärkt, was Meckel und J. Geoffroy St. Hilaire betonen, so des gespaltnen Gaumens, zweihörnigen Uterus, des Cyklopenauges u. s. w. (s. hierüber M. A. Roujou, Types Primitifs des Mammifères, p. 61; und Bertillon, Valeur Phil. Hyp. du Transformisme). Andrerseits bietet die Thatsache, dass überzählige Finger häufig vorkommen, ohne dass irgend ein andres Organ afficirt ist, keinen gültigen Einwurf gegen die hier vertretene Ansicht dar; denn zahlreiche Fälle könnten angeführt werden, wo nur einzelne Charactere durch Rückschlag erscheinen. Im Ganzen kann ich nur glauben, dass die ursprünglich von mir vorgebrachte Ansicht schliesslich angenommen werden wird.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)