oder Wärme bestimmt würden; und obgleich sich kaum läugnen lässt, dass eine gewisse Wirkung hierdurch ausgeübt wird, so stimmen fast alle Beobachter jetzt darin überein, dass die Wirkung nur sehr gering gewesen ist, selbst nach viele Generationen dauernder Einwirkung. Doch wird dieser Gegenstand besser noch dann erörtert werden, wenn wir von den verschiedenen Rassen der Menschen reden. In Bezug auf unsere domesticirten Thiere haben wir Gründe zu der Annahme, dass Kälte und Feuchtigkeit direct das Wachsthum der Haare afficiren; für den Menschen ist mir aber kein entscheidender Beweis hierfür begegnet.
Wirkung des vermehrten Gebrauchs und Nichtgebrauchs von Theilen. — Es ist allgemein bekannt, dass der Gebrauch die Muskeln des Individuums kräftigt und dass völliger Nichtgebrauch oder die Zerstörung des betreffenden Nerven sie schwächt. Wird das Auge zerstört, so wird der Sehnerv häufig atrophisch; wenn eine Arterie unterbunden wird, so nehmen die seitlichen Blutgefässe nicht bloss an Durchmesser, sondern auch an Dicke und Kraft ihrer Wandungen zu. Hört in Folge von Krankheit die eine Niere auf zu wirken, so nimmt die andere an Grösse zu und verrichtet doppelte Arbeit. Knochen nehmen nicht bloss an Dicke, sondern auch an Länge zu, wenn sie grössere Gewichte zu tragen haben.[1] Verschiedene gewohnheitsgemäss ausgeübte Beschäftigungen bringen veränderte Verhältnisse zwischen verschiedenen Theilen des Körpers hervor. So wurde durch die Commission der Vereinigten Staaten mit Bestimmtheit festgestellt,[2] dass die Beine der im letzten Kriege verwendeten Matrosen um 0,217 Zoll länger waren, als die der Soldaten, trotzdem dass die Matrosen im Mittel kleiner waren; dagegen waren ihre Arme um 1,09 kürzer und daher ausser Verhältniss kürzer in Bezug auf ihre geringere Grösse. Diese Kürze der Arme ist offenbar Folge ihres stärkeren Gebrauchs und ist ein ganz unerwartetes Resultat; doch benutzen Matrosen ihre Arme hauptsächlich zum Ziehen und nicht zum Tragen von Lasten. Der Umfang des Nackens und die Höhe des Spanns sind bei Matrosen grösser,
- ↑ Ich habe Gewährsmänner für diese verschiedenen Angaben angeführt in meinem „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“. 2. Aufl. Bd. 2, S. 340, 341. Dr. Jäger, über das Längenwachsthum der Knochen in der Jenaischen Zeitschrift. Bd. 5, Heft 1.
- ↑ Investigations etc. von B. A. Gould 1869, p. 288.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/55&oldid=- (Version vom 31.7.2018)