die Flügeldecken sind hier bedeutend an Grösse reducirt, aber „der hintere Theil des Prothorax ist in eine Art Gewölbe über die Flügeldecken erhoben, welches wahrscheinlich die Wirkung den Laut zu verstärken hat“.[1]
Wir sehen hiernach, dass der musikalische Apparat bei den Locustiden, welche, wie ich glaube, die kräftigsten Sänger in der Ordnung enthalten, mehr differenzirt und specialisirt ist als bei den Achetiden, bei denen die beiden Flügeldecken dieselbe Structur und dieselbe Function haben.[2] Indessen hat Landois bei einer Form der Locustiden, nämlich bei Decticus, eine kurze und schmale Reihe kleiner Zähne, fast blosser Rudimente, auf der unteren Fläche der rechten Flügeldecke entdeckt, welche unter der andern liegt und niemals als Bogen benutzt wird. Ich habe dieselbe rudimentäre Bildung an der unteren Fläche der rechten Flügeldecke bei Phasgonura viridissima beobachtet. Wir können daher mit Sicherheit schliessen, dass die Locustiden von einer Form abstammen, bei welcher, wie bei den jetzt lebenden Achetiden, beide Flügeldecken gezahnte Adern an der unteren Fläche besassen und beide ganz indifferent als Bogen benutzt werden konnten, dass aber bei den Locustiden die beiden Flügeldecken allmählich differenzirt und vervollkommnet wurden, und zwar nach dem Principe der Arbeitstheilung so, dass der eine ausschliesslich als Bogen, der andere nur als Violine wirkte. Dr. Gruber ist derselben Ansicht; er hat gezeigt, dass sich rudimentäre Zähne gewöhnlich an der unteren Fläche des rechten Flügels finden. Durch welche Stufen der einfachere Apparat bei den Achetiden entstand, wissen wir nicht; es ist aber wahrscheinlich, dass die basalen Theile der Flügeldecken einander früher überdeckten, so wie sie es jetzt noch thun, und dass die Reibung der Nerven einen kratzenden Ton hervorbrachte, wie es jetzt noch, wie ich sehe, der Fall mit den Flügeldecken der Weibchen ist.[3] Ein in dieser Weise gelegentlich und zufällig von den Männchen hervorgebrachter kratzender Laut kann, wenn er auch noch so wenig dazu diente, den Weibchen als liebender Zuruf zu erscheinen,
- ↑ Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. I, p. 453.
- ↑ Landois a. a. O. S. 121, 122.
- ↑ Mr. Walsh theilt mir auch mit, wie er bemerkt habe, dass das Weibchen von Platyphyllum concavum, „wenn es gefangen wird, ein schwaches kratzendes Geräusch durch das Reiben der beiden Flügeldecken aufeinander hervorbringe“.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/388&oldid=- (Version vom 31.7.2018)