beiden Geschlechtern gemeinsam. Eine Varietät des Canarienvogels, nämlich der „London Prize“, bietet einen ziemlich analogen Fall dar.
Bei den Hühnerrassen scheint die Vererbung verschiedener Charactere auf ein Geschlecht oder auf beide Geschlechter allgemein durch die Periode bestimmt zu werden, in welcher sich solche Charactere entwickeln. So weicht in allen den Zuchten, bei welchen das erwachsene Männchen bedeutend in der Färbung von den Weibchen und von der wilden Stammart abweicht, dasselbe auch von dem jungen Männchen ab, so dass die erst neuerdings erlangten Charactere in einer verhältnissmässig späten Periode des Lebens erschienen sein müssen. Andererseits sind bei den meisten Rassen, bei denen die beiden Geschlechter einander ähnlich sind, die Jungen in nahezu derselben Art und Weise gefärbt wie ihre Eltern, und dies macht es wahrscheinlich, dass ihre Farben zuerst früh im Leben auftraten. Wir sehen Beispiele dieser Thatsache bei allen schwarzen und weissen Rassen, bei denen die Jungen und Alten beider Geschlechter einander gleich sind. Auch kann nicht behauptet werden, dass in einem schwarzen oder weissen Gefieder etwas Eigenthümliches liege, welches zu seiner Vererbung auf beide Geschlechter führe. Denn bei vielen natürlichen Species sind allein die Männchen entweder schwarz oder weiss, während die Weibchen sehr verschieden gefärbt sind. Bei den sogenannten Kukuksunterrassen des Huhns, bei welchen die Federn quer mit dunklen Streifen gestrichelt sind, sind beide Geschlechter und die Hühnchen in nahezu derselben Art und Weise gefärbt. Das Gefieder der Sebright-Bantam-Hühner mit schwarz geränderten Federn ist in beiden Geschlechtern dasselbe und bei den Hühnchen sind die Schwungfedern deutlich, wenn schon unvollkommen gerändert. Die gefütterten Hamburger bieten indess eine theilweise Ausnahme dar, denn wenn schon die beiden Geschlechter sich nicht vollkommen gleich sind, so ähneln sie sich doch einander mehr, als es die Geschlechter der ursprünglichen elterlichen Species thun; und doch erreichen sie ihr characteristisches Gefieder spät im Leben, denn die Hühnchen sind deutlich gestrichelt. Wendet man sich zu anderen Merkmalen ausser der Farbe, so besitzen allein die Männchen der wilden elterlichen Species und der meisten domesticirten Rassen einen wohlentwickelten Kamm; aber bei dem jungen spanischen Huhne ist er in einem sehr frühen Alter bedeutend entwickelt, und in Uebereinstimmung mit dieser frühen Entwickelung beim Männchen ist er auch bei den erwachsenen
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/327&oldid=- (Version vom 31.7.2018)