Ferner nahmen in dem Zwischenraum zwischen den Zählungen von 1856 und 1872 die Eingebornen reinen Blutes auf den Sandwichs-Inseln um 8081 ab, während die für gesünder gehaltenen Mischlinge um 847 zunahmen; ich weiss indessen nicht, ob die letztere Zahl die Nachkommenschaft der Mischlinge oder nur die Mischlinge der ersten Generation enthält.
Die Fälle, welche ich hier mitgetheilt habe, beziehen sich sämmtlich auf Ureinwohner, welche in Folge der Einwanderung civilisirter Menschen neuen Bedingungen ausgesetzt worden sind. Wahrscheinlich würde aber Unfruchtbarkeit und schwächliche Gesundheit als Folge eintreten, wenn Wilde durch irgend welche Ursache, wie z. B. das Eindringen eines erobernden Stammes, gezwungen würden, ihre Heimstätten zu verlassen und ihre Lebensgewohnheiten zu ändern. Es ist ein interessanter Umstand, dass das hauptsächlichste Hinderniss der Domesticirung wilder Thiere, welche ja das Vermögen ihrer reichlichen Vermehrung beim ersten Gefangennehmen mit einschliesst, und eines der hauptsächlichsten Hindernisse gegen das Lebenbleiben wilder Menschen und ihre Umwandlung in eine civilisirte Rasse, wenn sie mit der Civilisation in Berührung gebracht werden, ein und dasselbe ist, nämlich Unfruchtbarkeit in Folge veränderter Lebensbedingungen.
Obgleich endlich die allmähliche Abnahme und endliche Erlöschung der Menschenrassen ein dunkles Problem ist, – beides hängt von vielen Ursachen ab, welche an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten verschieden gewesen sind, – so ist es doch dasselbe Problem wie das, was sich beim Aussterben irgend eines der höheren Thiere darbietet – z. B. des fossilen Pferdes, welches aus Südamerica verschwand, um bald nachher innerhalb derselben Bezirke von zahllosen Heerden des spanischen Pferdes wieder ersetzt zu werden. Der Neu-Seeländer scheint sich dieses Parallelismus bewusst zu sein, denn er vergleicht sein künftiges Schicksal mit dem der eingeborenen Ratte, welche von der europäischen Ratte jetzt fast ganz ausgerottet ist. Ist auch die Schwierigkeit einer Erklärung sowohl für unsere Einbildung, als auch factisch gross, wenn wir die Ursachen genau festzustellen wünschen, so sollte sie es doch nicht unserem Verstande sein, so lange wir beständig vor Augen behalten, dass die Zunahme jeder Species und jeder Rasse fortwährend durch verschiedene Hindernisse aufgehalten wird, so
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/264&oldid=- (Version vom 31.7.2018)